Nürnberger Bratwurst

Geneigter Leser, jetzt haben Sie mich voll erwischt. Es gibt sehr wenige Lebensmittel, über die ich so gerne schreibe.

 

http://www.nuernberger-bratwuerste.de/

 

Wenn Sie das gelesen haben, brauche ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Tue ich aber, auch wenn es teilweise nicht ganz jugendfrei ist. Dazu muss zunächst die Frage geklärt werden, warum die Nürnberger so klein sind. Unter "Sagen&Legenden" der oben angegebenen Internetseite findet man Erklärungen. Glauben muss man sie nicht.

Eigentlich will ich gar nicht näher darauf eingehen. Wer kommt schon auf die Idee, eine Bratwurst so klein zu machen, dass sie durch ein Schlüsselloch passt. Legende halt.

Ich habe zwei andere Erklärungen. Die eine stimmt. Die andere ist von mir, hat aber was. Fangen wir mit der an, die nicht jugendfrei ist, wobei noch nicht bewiesen ist, dass sie falsch ist. Wobei ich mich allerdings der sofortigen Rache aller Nürnberger Penisträger aussetze.

Es hat was damit zu tun, dass Nürnberg nicht Mittelfrankens Hauptstadt ist, sondern Ansbach. Franken, die in der Schule nicht aufgepasst und lieber Papierkügelchen durch den Raum geworfen haben, glauben das nicht. Ansbach ist deswegen Mittelfrankens Hauptstadt, weil Markgraf Kasimir Martin Luther unterstützt hat und weil die Ansbacher Metzger Bratwürste nach dem Maß des Mannes machen. Meine Lesart.

Kasimir hat Gegenreformer eingesperrt, weswegen nun ein evangelischer Mittelfranke diese Zeilen schreibt. Spätfolge. Es muss ja alles einen Grund haben. Gegen die Zwergenausgabe der fränkischen Bratwurst konnte er nichts unternehmen, da weilte er schon nicht mehr unter den Lebenden.

Im umliegenden Mittelfranken ist man nie auf die absurde Idee gekommen, die Würste so kurz wie Konfirmandenpimmel zu machen. Schon gar nicht in Ansbach. Und auch deswegen ist heute Ansbach Mittelfrankens Hauptstadt und wer unbedingt die Nürnberger Pimmelwitze haben will, muss sie auch von dort kaufen. Sie sind nämlich gesetzlich geschützt. Man glaubt es nicht. Bratwürste nach dem Maß des Mannes – vornehmlich nehmen die fränkischen Metzger Maß an sich selbst – gibt es in ganz Mittelfranken und Oberfranken, in Unterfranken schmecken sie nicht, das hat einen anderen Grund, kann mich aber hier nicht verzetteln. Unser Metzger von nebenan an der Neusser Weyhe macht sie 30cm lang, ich muss ihm mal sagen, dass er ein fürchterlicher Angeber ist. Vergleiche mit der heutigen Nürnberger Männerwelt zu machen, wäre unangemessen - im wahrsten Sinne des Wortes - auch wenn es mir viel Spaß bereiten würde.

Um nun wieder seriöse Leser anzusprechen, sage ich aber jetzt die total unspektierliche Wahrheit. Als es im 16. Jahrhundert eine Geldentwertung gab, konnten die Metzger die Wurst nicht mehr für den gewohnten Preis abgeben, also haben sie sie einfach kürzer gemacht. Schlechter machen wollten sie sie nicht. Man kennt das ja heutzutage von Produkten aus dem Supermarkt. Verdient ein Hersteller nicht genug an seinem meist überflüssigen Produkt, macht er einfach die Packung nicht mehr voll. Würde dieses Verhalten das "Nürnberger Syndrom" benennen.

Ab jetzt kommen wir aber voll zur Seriosität zurück und wollen uns nur noch der Nürnberger Bratwurst widmen. Die Bezeichnung ist geschützt, wie wir jetzt schon wissen. Habe darauf in der Tat schon mehrere Metzger hingewiesen, die das geschludert haben. Zitat:

Mit dem Status der Geschützten Geografischen Angabe (g.g.A) reihen sich die traditionellen Köstlichkeiten neben anderen Spezialitäten wie Parmaschinken, Champagner und Grana Padano in die Top-Liste der europäischen Lebensmittel ein. Sie dürfen nur im Stadtgebiet Nürnberg nach der festgeschriebenen Rezeptur hergestellt werden und tragen neben dem offiziellen Zeichen der EU auch ihr eigenes Original-Siegel.

Der älteste Beleg für die Nürnberger Bratwurst kommt aus dem Jahre 1313. Schreibt die FAZ. Die Qualität wurde streng kontrolliert. Es gab dafür einen eigenen Posten, den Würstlein.

Zitat:

Besondere Merkmale:

  • Mittelgrobe Körnung

  • Ohne Brätanteil

  • Nicht umgerötet

  • Im engen Schafseitling auf 7-9 cm abgedreht

  • Stückgewicht roh: 20-25 g

  • Typische Majoran-Würzung

 

Sie werden es nicht glauben, aber wenn wir die Nürnberger, die in einem Paket von der Metzgerei Gerhard Meyer aus Nürnberg kommen, aufgegessen haben, kaufe ich sie schon einmal bei Aldi. Als Biowurst. Wenn ich mich nicht irre, von der Fabrik des Sohnes von Uli Hoeneß.

Dazu natürlich ein Kulmbacher Pils oder einen fränkischen Silvaner. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Wenn wir uns mal in Nürnberg aufhalten, gehen wir gerne ins Bratwursthäusle in der Nähe der Burg. Dort werden die Würste vornehmlich von jungen Frauen gegrillt, die die Glut der Vorhölle vertragen und deshalb von weither kommen. Ganz in der Nähe, auf dem Marktplatz, ist der Schöne Brunnen. Den Ring am Brunnengitter sollten weibliche Personen nicht anfassen, weil sie sonst einen Franken heiraten müssen.

Das ist keine Legende, Marianne kann es bezeugen.

Übrigens, den Namen "Würstlein" findet man noch in Franken. Nicht im Nürnberger Telefonbuch, aber in der Nähe.

In der Mundart sagt man "Werschtla". Damit bezeichnen Frankens junge Frauen Freier, die ihnen nicht genehm sind. Auch das kann ich  bezeugen.

 

Heinz Elflein

19.12.2021