Faschingskrapfen

Die nachstehende Geschichte ist genau zehn Jahre alt. Ich wundere mich jetzt über mich selber, wie ich damals meinen Geschmack so gut artikulieren konnte. Für mich ist sie aktuell wie damals, wird durch die zwischenzeitlichen Ereignisse eher noch pointierter. Weil die Sitten noch weiter verkommen sind. Aus aktuellem Anlass bin ich deshalb dem "Verein für Deutsche Sprache" beigetreten, die sich des Genderns annehmen, wie sie auch an dem dämlichen Denglish kein gutes Haar lassen.
Faschingskrapfen
Wenn ich so überlege, was mich positiv mit dem Fasching - hierzulande Karneval genannt - verbindet, fällt mir wenig ein.
Natürlich die Krapfen, die meine Mutter in den fünfziger Jahren gebacken hat. Mit Butterschmalz, Vanillezucker und Hefe. Leicht bestäubt mit Puderzucker, gefüllt mit Konfitüre. Hierzulande nennt man eine Abart davon „Berliner“, was ich schweigend tolerieren muss.
Es ist etwas Nostalgie, wenn ich jetzt daran denke. Warum ich mich jetzt aber hinsetze und schreibe, liegt daran, dass mir in diesen Tagen die Art und Weise, wie die Medien den Karneval ausschlachten, fürchterlich auf den Geist geht.
Es ist aber ein Ausdruck rheinischer Lebensfreude. Positive und negative Eindrücke, was das Rheinland seinerzeit auf mich ausstrahlte, gegeneinander aufgewogen, haben sich inzwischen etwas abgeschliffen. Wenn ich es jetzt zur Karnevalszeit trotzdem etwas überhöht darstelle, ist das meine Art einer Büttenrede. Anlass ist eine Sendung des WDR, die ich gestern, am Weiberfastnacht, den 07.02.2013 über mich ergehen ließ, bis ich nach 10 Minuten abgeschaltet habe.
Zunächst war ich nur verwundert, als ich 1960 zum ersten Mal den Düsseldorfer Straßenkarneval mit Rosenmontagszug hautnah erlebte. Meine Verwunderungen waren zu jener Zeit überhaupt groß. Im März 1959 in Düsseldorf eingetroffen und zum ersten Mal über die Oberkasseler Brücke marschiert, traf mich die Erkenntnis, dass Flüsse wesentlich breiter sein können als die Aisch, Nebenfluss der Pegnitz, Nebenfluss des Mains, schon voll in meinem Beeindruckungs-Zentrum. Auch die Fußballspiele von Fortuna. Das erste gegen den 1.FC Köln, das Fortuna mit 3:4 verlor und deswegen nicht um die Deutsche Meisterschaft mitspielen durfte. Das war aber der erste Integrations-Schritt in Düsseldorf, von daher stammen meine Vorbehalte gegen Köln. Mein Bruder, der 1969 in Neuss geboren wurde, hat sie übernommen und pflegt somit eine der jüngsten Familientraditionen. Dazu aber gleich noch mehr.
Was mich, an die gute fränkische Hausmannskost gewöhnten jungen Burschen abschreckte, war die Küche in Düsseldorf. Reinster Schweinefraß. Bratwürste, fett, mit Knorpeln und ohne Majoran. Fleischabfall gepresst. Zum Ausspucken. Rheinufer-Gemüse. Kappes aus dem Ortsteil Kappeshamm. Pfui Teufel. Der „halve Hahn“, ein Brötchen mit stinkendem Käse, Gurke und Senf. Dazu diese blasierte Aussprache des Deutschen. Meinen Jahrgangskollegen, die so daher redeten, ging ja jede Form von Männlichkeit ab. Dachte ich. Dafür haben sie mich wegen meiner damals noch süddeutsch eingefärbten Artikulation gemobbt. Wie auch die Herren Berufsschul-Lehrer. Ich habe es ihnen gezeigt. Durch schulische Leistungen und jetzt haue ich sie hiermit in die Pfanne, obwohl sie schon lange keine rheinische Bratwurst mit Kappes mehr essen können. Anders waren die jungen Mädchen, mit denen ich manchmal während meiner Berufsausübung zu tun hatte. Sie fanden mein Bayrisch niedlich.
Nun aber zurück zu meinen ersten karnevalistischen Eindrücken im Rheinland. Für meine naturreine Seele war auch das sehr verwunderlich, zurückhaltend ausgedrückt. Dass sich die jungen Mädchen und Frauen von jedem dahergelaufenen Penisträger im Kostüm abknutschen ließen, hat mich schon seinerzeit mit Verachtung erfüllt und tut es eigentlich noch heute. Da muss ich fein aufpassen, sagte ich mir damals, dass mir so eine nicht zu nahe kommt.
Als mir dann doch eine schon vor der Karnevalszeit näher kam (garantiert nicht an Massenknutschevents beteiligt), war das meine größte positive Erfahrung in Düsseldorf. Hinter meinem großen mexikanischen Sombrero konnten wir uns in einer Ecke des Düsseldorfer Malkastens gut verstecken, während der Karneval tobte. Dabei müssen wir uns gegenseitig so gründlich kontaminiert haben, dass wir nun schon etliche Jahrzehnte als Mann und Frau zusammen sind.
Kommen wir jetzt aber auf den Anstoß zu diesem Beitrag, die Sendung des WDR zurück. Es gibt spontane Fröhlichkeit, die vom Herzen kommt und es gibt da so einen geschauspielerten Frohsinn, von dem sich etliche Mitmenschen verpflichtet glauben, diesen aus Anlass des gewissen Datums auszuüben. Es war also gestern – wie jedes Jahr - der Tag der Weiber. Dann dürfen sie die Krawatten der Männer abschneiden und dem Bürgermeister den Stadtschlüssel abnehmen. Daneben stehen dann dessen Adjutanten, schlürfen Sekt und dürfen bützen. Ha ha. Ist ja alles so lustig, jedes Jahr um die gleiche Zeit. In unendlichen Wiederholungen unter Absingen der immer gleichen Lieder zum Schunkeln. Warum ist es am Rhein so schön? Wenn die Kamera draufhält, wird der Ausbund an Lustigkeit verbreitet, indem lauthals „Helau“ in das Mikrofon geplärrt wird. Na sowas. Man konnte in der Sendung allen Beteiligten deutlich anmerken, dass ihre Fröhlichkeit aufgesetzt war.
Vor etlichen Jahren, als ich an solch einem Tag die Anwesenheit im Büro nicht vermeiden konnte, hatte ich mir vorsorglich einen dicken Draht in die Krawatte manipuliert. Es hat nichts genutzt. Das Riesen-Karwenz-Weib, das da auf mich zukam, hat den Schlips mitsamt dem Draht abgeschnitten. Bützen konnte sie mich nicht, das schwöre ich, da war ich zu schnell. Aber der Schreck saß tief.
Meine Schwägerin, seinerzeit Chefsekretärin einer amerikanischen Firma in Düsseldorf, erzählte vom Besuch eines Managers aus den Staaten. Er hatte den falschen Tag ausgesucht. Als seine Krawatte weg war, kam der spontane Ausruf zum deutschen Bürochef „Fire her“.
Ich möchte doch einmal erleben, dass irgendwann im Jahr, wenn die Sekretärinen-Schar eine kleine Sauerei ausheckt, einem Chef was abgeschnitten wird. So ganz spontan. Das wäre doch wirklich lustig.
Das wars nun mit dem Albweiber-Bashing. Aber jetzt kriegen es die Kölner noch einmal drauf. Diese Leute, die glauben, es wäre nichts lustiger, als angetrunken zu singen, es gäbe nichts Schöneres auf der Welt, als in Kölle zum Karneval herumzutorkeln. Doch vorher eine kleine Warnung. Ich verlasse jetzt den Bereich, den tolerante, aufgeklärte Leute eigentlich nicht verlassen dürfen. Ich bin mir dessen bewusst und mache es trotzdem. Betrachten Sie es bitte als Kabarett. Oder knipsen Sie auf das rote „X“ rechts oben.
Man braucht sich nicht wundern, warum manchmal Köln als „Hauptstadt der Schwulen“ bezeichnet wird. Nicht nur wegen der Love-Parade, die eine ekelhafte Parade für abartigen Sex ist. Schauen Sie sich doch einmal im Kölner Karneval das „Dreigestirn“ an. Muss ja nicht so lange sein. Da ist die „Jungfrau“ ein widerlicher, leicht adipöser Vertreter des männlichen Geschlechts mit blonder Perücke und Zöpfen. Und dann gibt es das "Stippeföttchen". Aneinanderreiben fetter männlicher Hinterteile. Es ist mir egal, ob das historische Wurzeln hat. Ich bekomme Brechreiz bei solchen Bildern.
Zurück aus dem vorsichtshalber als solchen bezeichneten kabarettistischen Beitragsanteil zum „nur“ hämischen: Es ist gut, dass der 1.FC Köln mangels spielerischer Klasse und Zugehörigkeit zur obersten Liga des deutschen Fußballs nicht gegen Fortuna spielen darf.
So war das vor zehn Jahren. Inzwischen - 2023 - läuft es anders herum. Kölle ist oben, Fortuna eine Etage tiefer. So sind die natürlichen Verhältnisse wieder hergestellt.
Ich glaube, jetzt ist klar geworden, warum ich den rheinischen Karneval nicht mag. Für jemand, der das ganze Jahr zu Späßen aufgelegt ist, ist das, was hier kommerziell vermarktet wird, kein Humor. Die Wurzeln des Frohsinns, entstanden vor etlichen Jahrhunderten, sind schon längst zu degenerierten Wiederholungsveranstaltungen verkommen.
Darauf trinke ich heute Abend mit Marianne eine Flasche Moscato di Asti, wir essen Faschingskrapfen und schauen „Mainz bleibt Mainz“. Den mexikanischen Sombrero brauchen wir nicht mehr.
Fällt ihnen jetzt was auf?
Heinz Elflein
08.02.2013
Jetzt, nach zehn Jahren, fällt mir selber nicht mehr auf, wozu ich vor zehn Jahren meine Leser animiert habe.
Die Zeiten haben sich zu ungunsten meiner Grundeinstellungen geändert. Der Genderstern ist eingezogen. Kann man ja ignorieren. Als vor etlichen Monaten die Flutkatastrophe an der Ahr nicht bewältigt wurde, hatte eine Ministerin nichts anderes zu tun, als in ihren Verlautbarungen darauf zu achten, dass die korrekte Gender-Schreibsweise eingehalten wurde, während Menschen ertrunken sind.
Sie hat es wohl aufgrund ihrer eigenen Unfähigkeit politisch nicht überlebt, kaum wegen des Genderns.
Leute, die glauben, jedermann mitteilen zu müssen, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung anders sind, göbeln mich an. Sollen sie doch machen, was sie wollen, es interessiert nicht, ekelt nur. Natürlich steigt auch die TV-Werbung darauf ein. Die Firma Bauhaus zeigt einige Sekunden vor Beginn der Tagesschau, wie sich zwei Männer knutschen. Darauf kann ich sogar reagieren. Indem ich diesen Laden nicht mehr betrete.
Das wars vorläufig. Sofern Sie "anders" sind, will ich Ihnen nicht zu nahe treten. Sie mir bitte aber auch nicht.
Muss ich nur versuchen, irgendwo wieder einen handwerklich gut gemachten Faschingskrapfen zu bekommen. Was gar nicht so einfach ist.
Heinz Elflein
8.2. 2023