Made in China
Damit wir uns gleich recht verstehen, in der Überschrift ist kein einziges englisches Wort dabei.
Es war Anfang dieses Jahrhunderts, als wir in einem bayerisch-gemütlichen Hotel-Restaurant in der Nähe von Berchtesgaden beim Abendessen saßen.
Am Nebentisch zwei – offenbar mittelständische - Unternehmer, deren Unterhaltung wir zwangsläufig mithören mussten. Es ging um die Verlagerung von Produktionskapazitäten nach China. Was dabei doch für ein enormer Gewinn herauszuholen wäre, wo doch da die Löhne so tief seien.
Das fiel mir jedes Mal ein, wenn es später mal wieder vorkam, dass man gewisse Artikel nicht mehr aus europäischer Produktion kaufen konnte. Elektronisches schon gar nicht. Und auch wieder, als ich etwas mit allen möglichen Prüfsiegeln beklebte kaufte, was trotzdem umgehend kaputtging. Die englische Firma, die für die EG beauftragt war und vielleicht auch noch ist, die Prüfsiegel anzubringen, hat ihr einheimisches Personal praktischerweise direkt vor Ort im Reich der Mitte. Sicher nicht zuletzt wegen der Löhne und um europäische Verbraucher zu schützen.
Mein Vater erzählte mir vor langer Zeit, dass er als Junge im heimatlichen Oberfranken Flusskrebse mit der Hand aus dem Bach gefangen habe. In meinem Heimatfluss, der Aisch, gibt es keine mehr, zumindest keine, die sich mit der Hand fangen ließen.
Ein Lebensmittelversand aus Krefeld verkaufte uns Flusskrebse aus Louisiana. Eingeführt aus Norwegen. Louisiana ist ein Bundesstaat im Süden der USA und liegt an der Mündung des Mississippi, am Golf von Mexiko. Man kann die Louisiana-Krebse auch aus Büsum kaufen. Das Louisiana-Flusskrebsfleisch lässt durch die Abbildung eines typischen Nordseekutters sowie der Darstellung des Logos „Büsumer Feinkost“ vermuten, dass das Fischerzeugnis aus der Nordsee stammt. Tatsächlich handelt es ich angeblich um ein Produkt aus Binnenfischerei in China. Stimmt aber auch nicht. Es sind dafür angelegte Teiche.
Vor einigen Wochen bestellte ich Trüffelbratwürste bei meinem bevorzugten Nürnberger Metzgermeister Meyer. Wir waren so etwas von begeistert. Das Non plus Ultra der Kulinarik. Unser Nachbar, Metzgermeister Löffler, hat das nicht geglaubt. Das könne vom Preis her nicht sein. Worin ich ihm eigentlich recht geben musste. Metzger Meyer hat bei seinem Lieferanten nachgefragt. Die Trüffel sind sogenannte China Trüffel, anderswo auch Himalaya-Trüffel genannt. Kulinarisch wertlos, meinen Fachleute.
Vor einigen Jahren ist der Sohn meines Cousins verstorben. Er war ein bekannter Musiker in München und wurde als Nachfolger von Hugo Strasser gehandelt. Insgesamt hatte er drei Lebertransplantationen hinter sich. Er litt an einer Chinesischen Variante des Krebses. Ich sehe ihn heute noch vor mir, wie er als kleines Kind sein bunt bemaltes Spielzeug in den Mund nahm.
Made in China und dieses Mal ist ein englisches Wort dabei, das man auch Deutsch deuten kann.
Heinz Elflein
24.05.2022

